Das Sterbeprotokoll Johannes Pauls II.
Die letzten Tage und Stunden im Leben Papst Johannes Pauls II. (1920-2005)
Nach dem Bericht in den Acta Apostolicae Sedis
ROM, 30. März 2006 (ZENIT.org).- Heute vor genau einem Jahr zeigte sich Papst Johannes Paul II. am Fenster seines Arbeitszimmers im dritten Stock des Apostolischen Palastes zum letzten Mal der Öffentlichkeit. "Lasst mich in das Haus des Vaters gehen." Mit diesen Worten auf Polnisch verabschiedete sich der Vorgänger Benedikts XVI. am frühen Nachmittag des 2. April 2005, ehe er um 21.37 Uhr starb.
Am 19. September des vergangenen Jahres veröffentlichte der Heilige Stuhl in den Acta Apostolicae Sedis (Jahr XCVII, 17. April 2005, Supplementum), seinem offiziellen Amtsblatt (Commentarium Officiale), den Bericht über das Leiden und Sterben Johannes Pauls II. Eine derart genaue Beschreibung der "extrema aegrotatio, obitus et funebria" ("letzten Krankheit, des Todes und der Bestattungsfeierlichkeiten") eines Papstes hatte es zuvor noch nie gegeben. Um Spekulationen auszuräumen und zugleich den Kreuzweg Karol Wojtylas zu würdigen, werden die letzten Augenblicke seines Lebens in den Acta bis ins Detail nacherzählt, ohne etwas zu beschönigen oder zu verschleiern. Das, was das "Evangelium des Leidens" genannt wurde, kommt in diesem Text in aller Deutlichkeit und Härte Text zum Vorschein.
Der Bericht hebt mit dem 31. Januar 2005 an, dem Tag, an dem das Pressebüro des Vatikans bekannt gab, dass der Heilige Vater aufgrund eines grippalen Infekts alle offiziellen Verpflichtungen einschließlich der Generalaudienz vom 2. Februar absagen müsse. Der Gesundheitszustand des Papstes verschlechterte sich durch eine mit Kehlkopfkrämpfen verbundene Kehlkopf- und Luftröhrentzündung. Diese hatte sich am Abend des 1. Februar verschärft. Deshalb wurde eine "Noteinlieferung mit einem zur Reanimation ausgerüsteten mobilen Einsatzfahrzeug in die Poliklinik Gemelli erforderlich. Die Notaufnahme erfolgte um 22.50 Uhr desselben Tages. Die klinische Entwicklung", wird in den Acta erklärend hinzugefügt, "war positiv, und am Samstag, dem 5. Februar, verfolgte der Heilige Vater über das Fernsehen die in der Audienzhalle Paul VI. stattfindende Zeremonie zum Fest Maria Vertrauen, Patronin des 'Seminario Romano Maggiore'." Der Krankenhausaufenthalt Johannes Pauls II. wurde aus Gründen der Vorsicht etwas verlängert. Der Papst konzelebrierte täglich die Heilige Messe in seinem Zimmer. Das Aschenkreuz am Aschermittwoch empfing er von seinem damaligen Sekretär, dem jetzigen Erzbischof Stanislaw Kardinal Dziwisz von Krakau. Am 10. Februar, "nachdem die Untersuchungen inklusive einer Ganzkörper-Computertomographie abgeschlossen waren und dazu dienten, andere Pathologien auszuschließen", kehrte der Heilige Vater gegen 19.40 Uhr wieder in den Vatikan zurück.
Die durch die bekannte Pathologie der Parkinsonschen Krankheit verursachten Erstickungsanfälle stellten sich jedoch in den nächsten Tagen wieder ein. Der Papst stand unter strenger Kontrolle des ständig anwesenden medizinischen Personals des Vatikans. "Der klinische Zustand verkomplizierte sich aufgrund erneut eintretender Episoden von akuter Atemsinsuffizienz, die durch eine bereits bestehende und dokumentierte funktionale Verengung des Kehlkopfes verursacht waren."
Am Abend des 23. Februars stellte sich eine neue Krise ein, die "eine zweite Einlieferung in der Poliklinik Gemelli unaufschiebbar machte. Diese erfolgte um 11.50 Uhr des 24. Februar." Am Abend desselben Tages wurde mit Einverständnis des Papstes ein Luftröhrenschnitt notwendig. Der postoperatorische Verlauf war ohne Komplikationen. Die Atem- und Sprechrehabilitation wurde bald aufgenommen.
Am Sonntag, dem 13. März, kehrte der Papst gegen 18.40 Uhr in den Vatikan zurück. Die ärztliche Versorgung war durch ein Spezialistenteam unter der Leitung des Leibarztes des Papstes, Dr. Renato Buzzonetti, sichergestellt. Das Team setzte sich aus zehn Reanimationsärzten, aus Spezialisten in Kardiologie, Othorinolaryngologie und innerer Medizin zusammen und wurde von vier Krankenpflegern unterstützt. "In den darauf folgenden Tagen setzte sich die leichte Erholung des Gesundheitszustandes fort. Erschwert wurde sie aufgrund der großen Schwierigkeiten beim Schlucken, der sehr schwache Phonation, das Ernährungsdefizit und einer bemerkenswerten Asthenie."
Der Leidensweg des Papstes sollte in seine letzte, von der ganzen Welt mitverfolgten Phase eintreten. Am 20. und am 23. März zeigt sich Johannes Paul II. am Fenster seines Arbeitszimmers. Er blieb "stumm und beschränkt sich darauf, den Segen mit der rechten Hand zu erteilen". Am Ostersonntag, dem 27. März 2005, erlebte die Öffentlichkeit Johannes Paul II. ein weiteres Mal: "Der Papst blieb für ungefähr dreizehn Minuten vor dem geöffneten Fenster stehen, das auf den Peterplatz hinausgeht. Er wurde von Gläubigen gefüllt, die auf die Osterbotschaft warteten. In den Händen hielt der Papst die Blätter mit dem Text, der auf dem Sagrat der Basilika von Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano mit bewegter Stimme verlesen wurde. Der Papst versuchte erfolglos, die Worte des Apostolischen Segens zu lesen, und segnete schweigend mit der rechten Hand die Stadt und den Erdkreis."
Der 30. März 2005 war jener Tag, an dem Papst Johannes Paul II. zum letzten Mal mit den versammelten Gläubigen zusammentraf. Das Presseamt des Heiligen Stuhls teilte mit, dass der Heilige Vater über eine ständige Sonde durch die Nase künstlich ernährt werde. "Am selben Tag, dem Mittwoch, zeigte sich der Heilige Vater am Fenster seines Arbeitszimmers und segnete ohne zu sprechen die Menschenmenge, die ihn überrascht und voller Schmerz auf dem Petersplatz erwartete. Dies war die letzte öffentliche Statio seines mühseligen Kreuzweges."
Bisher unbekannt waren die Einzelheiten, die sich vor dem Tod Johannes Pauls II. ereigneten. Am Donnerstag, dem 31. März, wurde der Papst, der sich zur Feier der Heiligen Messe in die Kapelle begeben hatte, kurz nach 11.00 Uhr "von einem Schüttelfrost ergriffen, dem eine starke Erhöhung der Körpertemperatur bis auf 39,6 Grad folgte. Dem folgte ein sehr schwerer septischer Schock mit einem Herz- und Kreislaufzusammenbruch, der durch eine festgestellte Entzündung der Harnwege verursacht worden war. Es wurde der ausdrückliche Wunsch des Heiligen Vaters respektiert, in seiner Wohnung zu bleiben, wo ebenfalls eine vollständige und effiziente Betreuung sichergestellt war." Am späten Nachmittag wurde die Heilige Messe zu Füßen seines Bettes gefeiert. An ihr nahm Johannes Paul II. mit halbgeschossenen Augen teil. Im Augenblick der Wandlung hob der Papst zweimal schwach den rechten Arm. Um 19.17 Uhr wurde der Papst von Kardinal Marian Javorski mit dem Sakrament der Krankensalbung versehen und empfing die Heilige Kommunion.
Am Freitag, dem 1. April 2005, nahm Papst Johannes Paul II. sichtbar am unaufhörlichen Gebet der Menschen, die sich um ihn kümmerten, teil, obwohl sich der Zustand von Herz und Kreislauf sowie der Atem- und Nierenfunktionen kontinuierlich verschlechterte. Am darauf folgenden Morgen, dem 2. April 2005, wurde um 7.30 Uhr in Gegenwart des Papstes die Eucharistie gefeiert. Sein Bewusstsein begann, zeitweise auszusetzen. "Am späten Vormittag empfing er zum letzten Mal den Kardinal-Staatssekretär. Dann begann ein rapider Anstieg der Körpertemperatur. Gegen 15.30 Uhr bat der Heilige Vater mit sehr schwacher und gebrochener Stimme auf Polnisch: 'Lasst mich in das Haus des Vaters gehen.'
"Kurz vor 19.00 Uhr fiel er ins Koma. Der Monitor zeichnete den fortschreitenden Niedergang der Lebensfunktionen auf. Einer polnischen Tradition folgend, erleuchtete eine kleine Kerze den Halbschatten jenes Zimmers, in dem der Papst langsam sein Leben aushauchte." Um 20.00 Uhr begann die Feier der Heiligen Messe zum Fest der göttlichen Barmherzigkeit zu Füßen des Bettes des sterbenden Papstes. "Polnische religiöse Lieder begleiteten die Feier und verschmolzen mit den Gesängen der Jugendlichen und der Menge der Gläubigen, die sich im Gebet auf dem Petersplatz versammelt hatten. Um 21.37 Uhr entschlief Johannes Paul II. im Herrn."
Der Tod des Vorgängers von Benedikt XVI. wurde vom Leibarzt des Papstes, Dr. Renato Buzzonetti, festgestellt, und zwar mit Hilfe eines Elektrokardiogramms, das der vatikanischen Norm entsprechend zwanzig Minuten lang in Einsatz war.
Benedikt XVI. erinnerte die Gläubigen am 4. September 2005 an die Leidensgeschichte seines Vorgängers: "In den letzten Monaten hat ihn seine Krankheit dem leidenden Christus immer ähnlicher werden lassen. Es ist sehr bewegend zu wissen, dass er in seiner Todesstunde die Hingabe seines Lebens mit der Lebenshingabe Christi in der Heiligen Messe vereinigen konnte, die neben seinem Bett gefeiert wurde. Sein irdisches Leben ging in der Osteroktav zu Ende, also mitten im 'Jahr der Eucharistie', in dem auf sein großes Pontifikat nun auch meines folgt. Voller Freude betone ich deshalb seit Beginn dieses Dienstes, den mir der Herr aufgetragen hat, die zentrale Bedeutung des Sakraments der realen Gegenwart Christi im Leben der Kirche und im Leben jedes Christen" (vgl. Angelus-Ansprache).
Das Sterben Johannes Pauls II. vollzog sich im Innern der von ihm geschauten göttlichen Liebe und Barmherzigkeit. Am Sonntag, dem 3. April 2005, verlas Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano die letzte Botschaft des Heiligen Vaters: "Der Menschheit, die bisweilen verloren und von der Macht des Bösen, des Egoismus und der Angst beherrscht scheint, bietet der auferstandene Herr das Geschenk seiner Liebe an, die vergibt, versöhnt und den Geist der Hoffnung neu eröffnet. Es ist die Liebe, die die Herzen bekehrt und den Frieden schenkt. Wie sehr hat es die Welt nötig, die göttliche Barmherzigkeit zu verstehen und anzunehmen" (vgl. Posthume Papstbotschaft zum Sonntag der Göttlichen Barmherzigkeit) Und er fügte hinzu: "Semper in Christo vivas, Pater Sancte!" ("Du mögest immer in Christus leben, Heiliger Vater!").